Tages-Anzeiger, 12 Juni 2007
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Im Booklet seiner neuen CD zitiert er Goethe mit dem Satz „Nur wer die Sehnsucht kennt, weiss was ich leide!“; die neue Trioplatte des in Zürich lebenden Basler Jazzpianisten Jean-Paul Brodbeck scheint auch sonst bis in die letzte Faser abendländischen und tiefromantischen Geist zu atmen; von Sehnsuchtstönen ist sie durchzogen. Brodbeck ist an sich ein technisch behänder, fantasiebegabter Jazzimprovisator. Doch hier, auf „Song of Tchaikovsky“, legt er sich bewusst die Zügel an. Nicht zu seinem Nachteil: Brodbeck hat Werke Tschaikowskys mit besonders liedhaftem Charakter transkribiert: Sein Trio verwandelt sie in zuweilen fast unbewegte Kleinode. Das Zarte statt das Wilde ist zu hören; Nachdenkliches statt Aufrührerisches; die ausgekostete Melodie statt die ungebändigte Eruption. Kurz: Viel Ruhe über den Gipfeln, man kann sich an dieser Platte laben. Und sahen denn nicht auch die Denker der Romantik einst in der Musik jenes Reich, das uns vom Schlachtenlärm der Welt heilt? Brodbeck hilft dabei.

von Christoph Merki

Jazz’N’More (CH) – CD Kritik **** Mai/Juni 2007
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Zarte Musik, schlicht angerichtet, gefühlvoll interpretiert: Der Basler Pianist Jean-Paul Brodbeck widmet seine neue Trio-CD Liedern von Tchaikovsky. Mit konstruiertem Third Stream hat sein Ansatz nichts zu tun. Brodbeck nimmt Musik aus dem Klassischen Songbook des Westens und spielt sie aus seiner noch jungen Erfahrung heraus. Er hat die Lieder transkribiert und arrangiert, aber das Wesentliche beibehalten, das Ebenmass und die Melodie. Es gibt keinen Ausschweifungen, nur ein gelegentliches Aufatmen und viel Platz für das Hineinlauschen. Pyotr Illjitsch Tchaikovsky (1840 – 1893) ist vor allem als Komponist von Opern, Balletten und Orchesterwerken bekannt. Seine Lieder, von denen hier 13 interpretiert werden, sind erfüllt von Liebesschmerz und dunklen Emotionen. Im Jazz-Verständnis von Brodbeck, das der Romantik einen Hauch von Distanz aufsetzt, wirken die Instrumentalstücke seltsam rein und klar. Der klassisch ausgebildete Brodbeck spielt mit einer Sorgfalt, die man in diesem Jazz-Kontext nur selten hört. Weit weg scheint die Zeit flirrender Tastenläufe. Brodbeck verlangsamt die Zeit. 

Basler Zeitung, 26.04.2007
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Der Basler Ausnahmepianist Jean-Paul Brodbeck versucht sich am Jazz Festival als Dolmetscher zwischen Jazz und Klassik. Es liegt nahe, dass Jazzpianisten, die auch über eine klassische Ausbildung verfügen, versuchen, die zwei Seelen, die in ihrer Brust wohnen, miteinander zu versöhnen. Zu künstlerisch besonders interessanten und tiefschürfenden Resultaten führt(e) dieser Versöhnungsprozess etwa im Falle von Bill Evans, Richie Beirach, Enrico Pieranunzi oder Brad Mehldau. Hierzulande darf der in Basel gross gewordenen und nun in Zürich residierenden Pianist Jean-Paul Brodbeck als besonders bewanderter Dolmetscher zwischen der dionysischen Hemmungslosigkeit des Jazz und dem apollinischen Formbewusstsein der abendländischen Tonsetzerkunst gelten. Mit „Song of Tchaikovsky“ geht Brodbeck das Wagnis ein, die eher unbekannten Lieder des „Schwanensee“-Komponisten als Grundlage für ein ganzes Programm für Piano-Trio zu nehmen. Brodbeck hat instrumentale Rohfassungen der Lieder destilliert, die gemeinsam arrangiert wurden. 

Metamorphose. Wie die CD „None but the Lonely Heart” (Unit Records) zeigt, ist die Metamorphose geglückt – von banalem Ergriffenheitspathos ist diese sehnsüchtige, melancholische, subtile und vornehmlich balladeske Musik ebenso weit entfernt wie von prätentiösem Kitsch. Ihre Geschmackssicherheit bewart die Musiker davor, die Vorlagen als Vorwand für virtuose Fingerübungen zu missbrauchen – sie schlüpfen sozusagen mit Leib und Seele in diese romantische Musik hinein und bringen sie inwendig zum Glühen.

von Tom Gsteiger