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Jean-Paul Brodbecks Panorama der 70er-Jahre || Tages-Anzeiger, 10.2009

Tages-Anzeiger, Oktober 2009
http://www.tagesanzeiger.ch/

Jazzpianist Jean-Paul Brodbeck ist trotz seiner relativen Jugend bereits ein Herr der Übersicht. Die 70-er Jahre hat der 35-jährige zwar nicht bewusst miterlebt. Das heisst aber keinesfalls, dass er sich nicht ausgiebig mit deren Musik befasst hat. Diese habe ihn entscheidend geprägt, sagt Brodbeck zu seinem neuen Album „Hang on Hippie“. Der Basler, der in Zürich lebt, besichtigt auf seiner CD ein ganzes musikalisches Zeitalter und spiegelt verschiedene Jazzrock-Spielarten von damals in eigenen Kompositionen. 

Das Resultat ist ein überraschend reiches Album, das zuweilen so klingt, als wäre es von unterschiedlichen Fusionbands eingespielt. …

Brodbecks Band groovt immens und wirkt dennoch ausserordentlich entspannt. Kein Wunder bei diesen Musikern: am E-Bass Wolfgang Zwiauer, an der Gitarre Wolfgang Muthspiel, Brodbeck bedient das akustische Klavier und das Fender Rhodes, Schlagzeuger Christian Niederer spielt in „The Sneaker“ so mitreissend, dass man sich fast nur noch dem Sog seiner Rhythmen hingeben möchte. Mal ist man in den zehn Titeln der CD an die Crusaders erinnert, dann an Deodato; mal an Grover Wahshington, dann an Dave Grusin. In „Your Street“ darf man meinen Keith Jarret habe mit seinem europäischen Quartett Pate gestanden; „Mood Turns“ bringt eine kokette Vierer Pauke und eine Dosis Disco an der Schwelle zu den 80ern. 

Trotz solcher Bezüge ist alles immer so gehalten, dass man sofort bemerkt, dass es hier nicht nur um die Reanimierung eines vergangenen Geistes geht. Die Grooves lassen auch mal die zeitgenössischen Medeski, Martin & Wood anklingen; gelegentlich ist da auch ein Hauch von Josuah Redmans Elastic Band. 

Jazzrock eintönig? Bei Brodbeck nicht. Wohltuenderweise meidet seine Gruppe auch das bluffige Virtuosentum, das einem einst so manchen Jazzrock verleiden liess. Fast alle Stücke spielen im entspannten Mid-Tempo. Mi einem Wort, „Hang on Hippie“ sagt zwar : Relax, verkauft uns aber nicht für dumm. 

Von Christoph Merki

Retro und Mehr || Züritipp.ch, 21.10.2009

Züritipp.ch, 21.10.2009
http://www.zueritipp.ch

Hang on Hippie: Der Jazzpianist Jean-Paul Brodbeck hat eine moderne CD gemacht, in der Sounds der Siebzigerjahre anklingen.

In Zürich kennt man ihn spätestens seit Februar 2007, als er seine Dienstagskonzerte im Alternativklub Helsinki lancierte. Diese haben ein Stammpublikum nicht nur aus Jazzfans gefunden. Das ist bezeichnend für den 35-jährigen Basler. Auch seine neue CD „Hang on Hippie“ klingt heterogen und macht einen Zeitsprung zum Crossoversound der 70er-Jahre, als sich Jazz lustvoll mit Folk, Funk und Rock paarte. Ein „Anything goes“, das heute wieder beliebt ist und von Brodbeck entsprechend zeitgemäss umgesetzt wird. 

Ausflüge in den Hiphop und Klezmer
Weil er aus mannigfaltigen Erfahrungen schöpfen kann, fällt ihm diese Umsetzung leicht. Der klassisch studierte Pianist hat Mitte der Neunziger auf Hiphop umgeschwenkt und mit P27 und Chapter 12 Erfolge gefeiert. Mit der Klezmerband Baith Jaffee schnupperte er europäische Bühnenluft, was ihn für eigene Projekte vorbereitete, die internationale Beachtung fanden. Es folgten mehrere CDs als Solist und in Trioformationen, wobei sich Brodbeck als Komponist von ambitioniertem Kammerjazz profilierte. 

Seit gut einem Jahr spielt Brodbeck im Quartett des österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel. Im Gegenzug ist dieser nun auf der CD von Brodbecks Group zu hören ebenso wie der deutsche Saxer Johannes Enders. Zu diesen beiden Schwergewichten gesellen sich Bassist Wolfgang Zwiauer und Drummer Christian Niederer als alte Weggefährten. Bei der CD-Taufe im Moods wird Gitarrist Muthspiel durch seinen Landsmann Andi Tausch vertreten.

Von Frank von Niederhäusern

Jean-Paul Brodbeck Group: «Hang On Hippie», Material || Basler Zeitung, 17.10.2009

Basler Zeitung, 17.10.2009
http://bazonline.ch

HIPPIESK. Es gibt die Tendenz, dass Bands ins Studio gehen, ehe sie genügend Konzerterfahrung gesammelt haben, sodass sich der Kritiker wünscht: Ach, wenn die Musiker doch nur mehr in Fahrt kommen würden! Das neue Album vonJean-Paul Brodbeckist ein typisches Beispiel für «Praecox-Jazz». Der Keyboarder knüpft mit einem hochkarätigen Quintett, zu dem u. a. Johannes Enders und Wolfgang Muthspiel gehören, an den «Hippie-Jazz» der 70er-Jahre an, kommt aber nie richtig an dessen teils widerborstige, teils süffige Überschwänglichkeit heran.

gst